Die Weichmaulforelle wurde erstmals von Heckel (1851) beschrieben und später von Berg (1908) der Gattung Salmothymus zugeordnet, was der Ähnlichkeit sowohl zu den Forellen (Salmo) als auch den Äschen (Thymallus) Rechnung trägt. Frühe Fischforscher glaubten aufgrund der unterständigen Maulstellung dieser Art, ein “missing link” zwischen Forelle und Äsche gefunden zu haben. Später wurde die Hypothese aufgestellt, dass es sich als “land locked” Eiszeitrelikt handle, das sich aus dem anadromen Atlantischen Lachs entwickelt hätte. Moderne genetische Analysen zeigten, dass die Weichmauforelle näher zur Bachforelle als zum Lachs verwandt ist. Sie wird heute Salmo zugeordnet, wobei manche Autoren Salmothymus als Untergattung beibehalten.

Kurzbesuch an der Neretva, Situation der Weichmaulforelle in Bosnien-Herzegowina, 18.6.2010
 

 

Ich bedanke mich bei Dr. Aleš Snoj, Univ. Ljubljana, für die freundliche Bestätigung der vermutlichen Zuordnung zu Arten bzw. Hybriden. Für abgesicherte Aussagen über individuelle Fische wären genetische Analysen notwendig.

Quellen:
http://www.balkan-trout.com/

Razpet, A., Sušnik, S., Jug, T. & Snoj, A. (2007). Genetic variation among trout in the River Neretva basin, Bosnia and Herzegovina. Journal of Fish Biology, 70 (Suppl. A): 94-110.

Schöffmann, J. (2003): Zur aktuellen Situation der vier Unterarten der Weichmaulforelle, Salmo (Salmothymus) obtusirostris Heckel, 1851. Österreichs Fischerei 56: 180-184.

Snoj, A., Melcič, E., Sušnik, S., Muhamedagič, S. & Dovč, P. (2002): DNA phylogeny supports revised classification of Salmothymus obtusirostris. Biol. J. Linn. Soc., 77: 399-411.

Ich bin recht bestürzt, als ich eine eindeutig als Besatzfisch anzusprechende Bachforelle fange, die anhand ihrer verkrümmten  Brustflossen zu erkennen ist und so aussieht wie eine atlantisch- und/oder donaustämmige Bachforelle zuhause (siehe Foto oben). Bei einem weiteren Tier, das ich mit einer Nymphe fange, handelt es sich wahrscheinlich um einen Hybriden zwischen einer heimischen Forelle und einer Besatzforelle (siehe Foto unten).

Der Kopf der Weichmaulforelle (links oben) ähnelt jenem des Spitznasen-Lenok (Brachymystax lenok, Foto rechts). Dies ist als konvergente evolutionäre Entwicklung (Analogie) zu interpretieren und keinesfalls als nähere Verwandtschaft zwischen diesen Arten. Falscherweise wird der Name des Lenok manchmal als Weichmaulforelle ins Deutsche übersetzt.

Weichmaulforellen kommen in einer Hand voll Adria-Zubringern in Kroatien, Bosnien und Montenegro vor. Aufgrund der geografischen Isolation haben sich die Populationen in diesen Adria-Zubringern deutlich differenziert und werden 4 Unterarten zugeordnet. Alle dieser Unterarten sind durch Vermischung mit besetzten Bachforellen, Überfischung und Habitatverlust gefährdet, drei davon sogar vom Aussterben bedroht. Der mit Abstand beste Bestand ist an der Neretva in Bosnien sowie in wenigen ihrer Zubringer erhalten, diese Population wird der Unterart oxyrhynchus zugeordnet.

Wohl in Reaktion auf den enorm hohen Befischungs- bzw. Entnahmedruck werden auch in der Neretva Bachforellen - eines nicht heimischen Typs - besetzt. Beispielsweise wurden Atlantik-stämmigen Forellen aus slowenischen Fischzuchtanstalten importiert. Wie auch genetische Untersuchungen zeigten, vermischen sich diese sowohl mit der Weichmaulforelle als auch mit heimischen “Bachforellen”. Es besteht dadurch die Gefahr, dass nicht nur der heimische Forellenstamm (bzw. die heimischen Forellenstämme) verfälscht wird, sondern auch, dass die schwache reproduktive Barriere zwischen “Bachforelle” und Weichmaulforelle verwässert wird, sodass letztere verschwinden könnte.

Weiter stromauf - oberhalb von Mostar - wurde die Neretva in eine Kette von Stauräumen umgewandelt, die Salmoniden kaum geeigneten Lebensraum bieten. Weder die Beschneidung ihres Lebensraumes noch die Erhöhung der Entnahme für die Fischerei durch Besatz von nicht heimischen Bachforellen stellen nachhaltige Lösungen dar. Unter der Voraussetzung, dass der Fließgewässer-Lebensraum bewahrt wird, kann nur eine Beschränkung der Entnahme einer nachhaltigen Fischerei sowie dem Erhalt der Weichmaulforelle, und - soweit überhaupt noch möglich - der lokalen Bachforellenstämme dienen.

Ich denke, das drastische Beispiel der Weichmaulforelle sollte uns Motivation sein, nicht auch zuhause durch verfehlte Besatzmaßnahmen die Vielfalt der heimischen Fischfauna noch weiter zu unterminieren.

Bei der Rückreise von einem Montenegro-Urlaub (siehe hier) bot sich mir Gelegenheit, einige Stunden an der Neretva zu verbringen, einheimischen Fischern zuzusehen und selbst zu versuchen, diese faszinierende Salmonidenart zu fangen.

Am Zubringer Buna wurde eine Schonstrecke ausgewiesen, in der offiziell nicht gefischt werden darf. Dieser Fluss mündet in einem wunderschönen Delta in die Neretva, wo sich durch Ausfällung von Kalk eine treppenartige Terasse gebildet hat. Dadurch wird die Neretva eingeengt, sodass eine Stromschnelle entstanden ist (siehe Foto ganz oben). Hier konnte ich an einem Freitag Abend eine enorme Ansammlung an heimischen Fischern beobachten - etwa 20-30 auf einen Kilometer Strecke. Sie fischten mit einer Paternostermontage (Blei am Ende, eine Reihe von Nymphen oder Nassfliegen an Seitenvorfächern, und meist eine Wasserkugel als Schwimmer). Die Montage wird stromauf ausgeworfen und treibt stromab bis unterhalb des Fischers. Diese Methode erwies sich als überaus effizient - die bosnischen Fischer erbeuten damit Weichmaulforellen in großer Zahl.

Neben reinrassigen Weichmaulforellen (Foto oben) erbeuten die Bosnier auch Tiere, die nur schwer eindeutig einer Art zuzuordnen sind. Darunter das etwa 50 cm große Exemplar unten, bei dem es sich wahrscheinlich um einen Hybriden zwischen einer Weichmaulforelle und einer Bachforelle handelt. Das Maul dieses Tieres ist größer als bei einer reinrassigen Weichmaulforelle, aber kleiner als jenes einer Bachforelle und leicht unterständig. Auch die Punktfärbung ist intermediär ausgebildet.

Die Zahl der erbeuteten Tiere ist erschreckend hoch. Von den beiden bosnischen Fischern die ich genauer beobachte entnimmt der erste 2 Weichmaulforellen und ein weiterer 6 Weichmaulforellen sowie einen Hybriden. Der hohen Anzahl von Wasserinsekten und Kleinfischen in den Uferzonen sowie der Korpulenz der Fänge nach zu schließen handelt es sich hier um ein außerordentlich produktives Gewässer. Trotzdem kann eine derart hohe Entnahme mit Sicherheit nicht nachhaltig erfolgen, ohne den Bestand zu gefährden bzw. auch den Bestand angrenzender Abschnitte auszudünnen.